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Die Nobelpreisträger Paul J. Crutzen und Eugene F. Stoermer haben vorgeschlagen, die als Holozän bezeichnete nacheiszeitliche Epoche ab der Mitte des 18. Jahrhunderts in Anthropozän umzubenennen. Als Begründung geben sie an:

  • Während der letzten 300 Jahre hat sich die Weltbevölkerung auf 6,5 Milliarden verzehnfacht; parallel dazu ist die Zahl der Hausrinder auf 1,6 Milliarden angewachsen.
  • Die in Städten lebende Bevölkerung ist in den letzten 100 Jahren um den Faktor 10 gewachsen.
  • Indirekt und direkt sind schon etwa 40% der jährlichen Nettoprimärproduktion (Zuwachs an Pflanzenmaterial) auf den Kontinenten menschlicher Nutzung unterworfen.
  • Durch die Fischerei wird schon etwa 25-35% der Produktion der Ozeane abgeschöpft, was zu einem Zusammenbruch vieler Fischpopulationen geführt hat.
  • Mehr als die Hälfte des verfügbaren Süßwassers wird von der Menschheit genutzt.
  • In wenigen Generationen verbraucht die Menschheit die fossilen Brennstoffe, die in mehreren hundert Millionen Jahren angesammelt wurden.
  • Die Konzentration einiger klimatisch bedeutsamer Gase in der Atmosphäre ist angestiegen: bei Kohlendioxid um mehr als 30%, bei Methan sogar um über 100%.
  • Inzwischen wird mehr Stickstoff synthetisch gebunden und als Düngemittel in der Landwirtschaft eingesetzt, als auf natürliche Weise in allen Ökosystemen fixiert wird.
  • Durch Verbrennung von Kohle und Erdöl gelangt jährlich mindestens das Doppelte an Schwefeldioxid in die Atmosphäre wie aus natürlichen Quellen.Durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe und von Biomasse wird mehr Stickstoffmonoxid in die Atmosphäre freigesetzt als von natürlichen Prozessen, was zur photochemischen Bildung von Ozon in den unteren Luftschichten in ausgedehnten Regionen der Erde führt. Neueste Forschungen weisen außerdem darauf hin, dass Stickoxide über Reaktionen mit Proteinen (Entstehung von Nitroverbindungen) die Hauptverursacher von Allergien sind (letztgenanntes ist eine Anmerkung des Verfassers).
  • Eingriffe des Menschen haben den Artenschwund in den tropischen Regenwäldern um den Faktor 1000 bis 10000 beschleunigt.

Was Paul J. Crutzen und Eugene F. Stoermer übersehen haben

Erstaunlicherweise gehen Crutzen und Stoermer nicht auf die Folgen der Landnutzung für die Böden ein. Das zeigt wie wenig Aufmerksamkeit sowohl die Wissenschaft als auch die Öffentlichkeit dem Boden widmet, obwohl es sich um eine Komponente der Biosphäre von zentraler Bedeutung handelt. Die Gefährdung der Böden geht aus folgenden Daten hervor, die David Pimentel von der Cornell University (USA) zusammengestellt hat:

Es wird geschätzt, dass die Erosionsrate landwirtschaftlich genutzter Flächen im Durchschnitt etwa 75-mal höher liegt als die natürlicher Waldflächen.

Erosionsverluste der landwirtschaftlichen Böden der Erde: ca. 50-75 Milliarden Tonnen/Jahr

  • Bodenverluste pro Jahr

Indien:                                                                               ca. 6,6 Milliarden Tonnen
China:                                                                               ca. 5,5 Milliarden Tonnen
Einzugsgebiet des Gelben Flusses:                             ca. 2 Milliarden Tonnen
USA:                                                                                 ca. 4 Milliarden Tonnen

  • Natürliche Erosionsraten (Tonnen/ha/Jahr)

in flachem Gelände:                                                      0,001 - 2
in bergigem Gelände:                                                           1 - 5

  • Durchschnittliche Erosionsrate (Tonnen/ha/Jahr) auf Ackerflächen

weltweit:                                                                             30
Asien, Afrika, Südamerika:                                              30 - 40
Europa und USA:                                                              13

  • Durchschnittliche natürliche Bodenbildungsrate:                                           

0,5 - 1 Tonnen/ha/Jahr

Die 1,5 Milliarden Hektar Ackerland, die heute für den Anbau von Feldfrüchten (zu 80% Getreide) zur Verfügung stehen, haben etwa dasselbe Ausmaß wie das Ackerland, das von uns Menschen seit Beginn der Landwirtschaft aufgegeben wurde.

Gullyersosion in Mexiko  als Beispiel für die weltweite Problematik Bodenverlust  durch  Bodenerosion. Bild: http://www.fao.org/docrep/T0321E/t0321e-10.htm

Leider gibt es für den Austrag aus dem Boden durch das Sickerwasser keine vergleichbare weltweite Übersicht. Vergleicht man Ionenausträge in Einzugsgebieten von Flüssen mit ähnlichen Niederschlägen und geologischen Verhältnissen aber unterschiedlichen Bewaldungsgrad so zeigt sich eine deutliche Tendenz. Der Ionenaustrag im Oberlauf der Ilm (Fläche des Einzugsgebiets: 627 km², durchschnittlicher Jahresniederschlag: 655 mm), einem Fluss der aus dem Thüringer Wald kommt, liegt mit 213 kg/Hektar/Jahr mehr als fünfmal niedriger als im deutlich geringer bewaldeten Einzugsgebiet der Pleiße in Sachsen (Fläche: 293 km², durchschnittlicher Jahresniederschlag: 648 mm), wo er 1156 kg/Hektar/Jahr beträgt.

Das geht aus der Dissertation von Christian Hildmann hervor. Untersuchungen des Ionenaustrags aus verschiedenen intakten Urwaldgebieten und paläoökologische Untersuchungen bilden die Grundlage für folgende Abschätzung:

Der Austrag von Ionen und organischen Verbindungen (Nährstoffaustrag) liegt heute bei landwirtschaftlich genutzten Böden etwa 50 bis 150 mal höher, als es einem ursprünglichen Boden (Urwaldboden) an derselben Stelle entspräche.

Außerdem wäre noch festzuhalten:

Die von der Menschheit durch Verbrennen fossiler Energieträger und Nutzung der Atomkraft jährlich umgesetzte Energiemenge macht schon etwa 30% dessen aus, was durch alle photosynthetisch aktiven Organismen der Erde im selben Zeitraum an Sonnenenergie eingefangen und für die Lebensprozesse auf der Erde zur Verfügung gestellt wird. 

Literatur

Max Planck Gesellschaft: Die Erde im Griff des Menschen (in diesem Artikel werden Paul J. Crutzen und  Eugene F. Stoermer zitiert)
MaxPlanckForschung  Heft 3/2000, S. 15-16

David Pimentel: Konsequenzen der weltweiten Bodenerosion und -degradation
In: W. Haber, M. Held, M. Schneider (Hrsg.): Nachhaltiger Umgang mit Böden, Seite 11-27
Süddeutsche Zeitung GmbH, München, 1999

Philipp Schepelmann: Stoffverluste als Indikatoren für die nachhaltige Nutzung der Landschaft
Diplomarbeit am Fachbereich Umwelt und Gesellschaft der Technischen Universität Berlin, Berlin, 1995

Christian Hildmann: Temperaturen in Zönosen als Indikatoren zur Prozessanalyse und zur Bestimmung des Wirkungsgrads
Dissertation am Fachbereich Umwelt und Gesellschaft, TU Berlin, 1999

P.M. Vitousek et al.: Human alteration of the global nitrogen cycle: sources and consequences
Ecological Applications, Vol. 7 (1997), S. 737-750

Christian Schwägerl: Menschenzeit. Zerstören oder gestalten? Die entscheidende Epoche unseres Planeten.                                                                                                               Riemanverlag (2010)

Eckart Ehlers: Das Antropozän. Die Erde im Zeitalter des Menschen.                                     Wissenschaftliche Buchgesellschaft (2008)